Good morning TV, you're looking so healthy

von Anna Groß

good_morning_tv_illu_farbe.jpg

Illustration: Christian Reinken

erschienen in Kommunikaze 15, November 2005

Ameisen im Teppichboden und der Mann in dem frischgewaschenen grauen Kapuzenpullover, der auf dem Sofa im Wohnzimmer Platz nimmt und mit mir MTV guckt, und ich mache in der Mikrowelle einen Becher warmen Kakao für ihn. Denn es ist so kalt draußen. Es ist kalt und regnet, und deshalb mache ich einen warmen Kakao für ihn und bringe ihm diesen. Er sieht mich an, und es ist eigentlich egal, ob du dieser Mann oder meine beste Freundin bist.

Hauptsache du hast einen frisch gewaschenen grauen Kapuzenpullover an und du freust dich, na ja, was heißt freuen. Es ist eigentlich selbstverständlich. Nimmst den Kakao in deine beiden Hände und siehst fern. Ich setze mich vor dich auf den Boden und lege meinen Kopf in deinen Schoß. Wir tragen die gleichen Sachen, weil wir uns gleich fühlen. Wir sagen nichts. Ich könnte für dich auch Thunfischsandwichs machen, Frühstück ans Bett bringen, mich schön anziehen, stehlen, betteln, meinen Körper  verkaufen. Du musst es nur sagen. Nein, du musst gar nichts sagen. Ich will nur, dass du zufrieden bist. Dieses Bild vor meinen Augen, wie du mich ansiehst, wenn ich dir den Becher reiche. Als hättest du es gar nicht anders erwartet. Nichts Besonderes. Trink. Den Becher gibst du mir zurück. Und ich nippe nur, denn ich brauche wirklich nicht viel.

Ich setze mich neben dich aufs Sofa. Du siehst mich nicht an und legst den Arm um meine Schultern. Ganz selbstverständlich. Als wäre es immer so gewesen, und dein Pullover ist weich und riecht frischgewaschen und vorne auf der Brust breitet sich ein nasser dunkler Fleck aus. Du siehst es und du wischt dir unter der Nase lang. Guckst erst mich an und dann auf deine Finger. Das ist Blut. Deine Augen drehen sich nach hinten und dein Kopf sinkt langsam zurück. Ich küsse deine trockenen Lippen. Gute Nacht. Und gleich sind wir beide für immer  vereint in diesem Augenblick. Auf uns tanzen die Schatten des Fernsehprogramms.

Doch immer wenn ich dich frage, möchtest du einen warmen Kakao, sagst du nein.
Dabei muss ich dich warnen.
Wer weiß, ob es noch mal besser wird. Ob es noch einmal so wird wie da.