Nachricht

von Andreas Herzog

erschienen in Kommunikaze 4, Mai 2003

Sie waren schon viel umhergereist. Häufig zusammen und umso häufiger alleine. Sie kannten sich besser als sich selbst, und doch kannte der eine den anderen so gut wie gar nicht. Man hatte gemeinsam gelacht, zusammen gesungen, getrunken, geeifert und gestritten, und dennoch merkte jeder von ihnen, dass noch mehr zwischen ihnen war, als es dem anderen bewusst zu sein schien. Sensible Töne wurden getauscht, Fakten, und waren sie auch noch so hart, an die Köpfe geschmissen, Schultern gehalten und Tränen getrocknet. Von ihm? Oder von ihm? Es gab Abende, und die Stimmung war stärker gespannt als je ein Reißpapier hätte halten können, und dennoch wagten sich beide immer wieder auf diese Stimmung und tanzten, balzten, stritten und vergnügten sich.

Der eine wollte Abschied nehmen, und der andere bleiben. Und wieder stiegen sie auf das Dach der Emotionen und schwiegen. Was war dem einen gesagt worden, was dem anderen noch nicht zu Ohr gekommen war. Was hatte sie beide so voneinander entfernt, und dennoch so eng aneinander geschweißt? Ihr Vater war seit langer Zeit umgezogen, der eine selbstständig, und der andere immer selbst, und das ständig. Stehen konnten sie beide. Gefallen war trotzdem der eine, der der wieder aufstand, oder war es der andere? Ihre Familie war sicherlich keine große, aber wahrscheinlich die größte, die man sich nicht vorstellen kann. Vater kümmerte sich um alle, um einen jeden, und er half aufzustehen, er half ständig; merkten es beide, die sich ab und an im Stich gelassen fühlten, oder war es nur der eine, der das fühlte, und trotzdem wusste das es nicht so war, oder der andere, der selbstständig ständig stand, aber auch merkte, dass er nun an seinem Weg angekommen war? Ihr Vater war immer im Gedanken bei ihnen, dass wussten sie. Beide. Doch die beiden Brüder, waren zu unterschiedlich, als das sie mit sich, zu Recht, zu recht kamen.

Zurechtgewiesen fühlte sich der eine, missverstanden der andere, oder doch umgekehrt? Oder bei beiden beides? Wie dem auch sei, konnte man denken hören, und dennoch veränderte sich nichts, aber doch so vieles, oder waren sie es, die änderten, oder änderte sich alles andere aber sie nicht, oder änderte das alles an allem gar nichts? Es ändert nichts, meinte man. Oder meint? Gemeint? Oder vereint? Einig zumindest darin, dass Vereinigung ein Schluss der Dinge ist, oder sein kann; und wieder war man uneinig, oder einigte man sich zumindest in der Uneinigkeit?

Der Einzige und der Artige kamen wieder nicht auf einen Nenner. Wieso denn auch nur einen, fragte sich der eine, wieso denn nicht zwei, der andere, wieso denn Nenner, und der andere, wieso denn benennen.  Nennen wir es einfach so, mochte man annehmen, doch ohne Kommentar ging hier gar nichts. Das kam von Wolle. Wolle, sich der andere mal bemühen, dachte der eine, der andere wollte, was wollen ist, wollte der eine, also der andere, mit Wohlwollen. Dann wollen wir wohl, aber was will der eine und was der andere, eigentlich stand das so gut wie gar nicht zur Debatte, dennoch rissen alle Stricke, und man hing sich daran auf. Das sagte mal ein kluger Mann, sagte man. Oder Mann?

Man müsste das wohl durchdenken, meinten beide, und beide saßen noch einige Zeit da, redeten, rauchten, rochen und dachten. Achten sollten sie sich, vor sich und ihrem Vater, denn der achtete auf sie.