erschienen in Kommunikaze 15, November 2005
In einer Ausgabe voller Neuerungen gibt sich dieses Mal auch der bewährte Malpsensant unkonventionell: Unbeeindruckt von den soziopathischen Anwandlungen des Berufsmisanthropen trieb Kommunikaze-Autorin Stephanie Schulze den Malpensant-Erfinder Sven Kosack im Auslandsexil auf und hielt ihre Beobachtungen in einem Artikel fest. Doch auch Kollege Kosack wollte gehört werden und schickte prompt eine Gegendarstellung. Beide zusammen präsentiert Kommunikaze im Rahmen der aktuellen Folge von Le Malpensant.
Le Malpensant bekommt Besuch
von Sven Kosack und Stephanie Schulze
Teil I: Ein Bericht, für die ich weder Kosten und Mühen noch Gefahren gescheut habe.
von Stephanie Schulze
Viele von euch zittern schon beim Aufschlagen seiner Kolumne: Wo wird der Malpensant diesmal zuschlagen? Versteckt er auch meine Bücher in der Bereichsbibliothek Naturwissenschaften? Schleppt er auch mich eines Tages ab, um mich mit seiner Miesepetrigkeit zu überhäufen? Wie lebt eigentlich einer, der das Leben hasst? Ich habe ihn für euch besucht – in Athen.
Während Deutschland bei gefühlten 15°F im Schnee versinkt, bin ich am 17. Februar unterwegs nach 15°C und Sonnenschein. Schon der Anflug ist traumhaft. Ca. einen Kilometer unter mir liegt, weißlich glitzernd an Hügel geschmiegt, der griechische Moloch, Chaoscity, Athen. Und dahin hat sich der Malpi seit 6 Monaten abgeschoben.
Ich kann euch berichten, er ist eigentlich ganz nett, der Malpi. Holt mich so vom Flughafen ab und versucht seiner finnischen Mitbewohnerin Maaria zu verkaufen, er sei ein Macho, während er abwäscht, Frühstück macht oder das Bad putzt. Maaria war von seinen Qualitäten als Macho bis zu meiner Abreise noch wenig überzeugt. Auch ich habe meine Zweifel.
Nachdem der Malpi alle Hausarbeiten erfolgreich erledigt hat, machen wir Sight Seeing. Der Wachwechsel vor dem Parlament, Monastiraki, die Akropolis – You can’t walk here! We are closed now! – die Universität, der Olympiapark. Investruinen neben Originalruinen neben Destruktionsruinen. Und überall, wo noch keine Ruinen stehen, werden welche gebaut.
Zum Beispiel an der Universität: Die philosophische Fakultät sieht – unglaublich aber wahr – noch ranziger aus als das EW-Gebäude. Der steinerne Kotzbrocken kann zu allem Überfluss noch nicht einmal Zweckmäßigkeit für sich reklamieren. Gleich daneben befindet sich ein großes Loch im Erdreich. Dort entsteht eine neue Unibibliothek. Der Malpi und ich schließen eine Wette, ob die Griechen mit dem Bau wohl bis zur Jahrtausendwende fertig werden. Malpi wettet dagegen, ich auch.
Anderes Beispiel, die Innenstadt. Spontane Löcher in der Straße werden schnell zu Fußfallen für leichtsinnige Touristen. Deshalb sind um manche dieser Löcher auch Kegel gestellt, um andere regelrechte Baustellenabsperrungen. Baustellen sind diese umrandeten Löcher allerdings nicht, denn das hieße ja, dass man an der Beseitigung des ursächlichen Problems interessiert wäre.
Die Löcher im Boden sind aber das geringste Problem in der Innenstadt. Was einen wirklich umbringt in Athen, das ist der Straßenverkehr. Rette sich wer kann! Wessen Fuß in einem Loch stecken bleibt, während ein hupendes Taxi herannaht, dessen Flüche sind gezählt. Malaka! Arschloch! Eines der wichtigsten Wörter, gerade auch in diesem Zusammenhang, und das erste von zwei griechischen Wörtern, die mir der Malpi beibringt. Das andere ist Sindagma. Verfassung.
Der Malpi selbst gibt täuschend echt vor, neugriechisch zu verstehen und sogar zu sprechen. Davon kann ich mich bei einem Fußballspiel von A.E.K. Athen, Malpis Lieblingsverein, gegen Herakles, Thessaloniki überzeugen. Während er die Gesänge von „A.E.K. olé!“ über „Fick dich, Herakles!“ bis „Ich ficke deine Mutter!“ (oder, wie es wortgetreu übersetzt heißen muss: „Ich ficke deine Mami!“) laut mitgrölt, muss ich mich auf das Nachäffen der obszönen Gesten beschränken. Nachdem die B-Klasse Mannschaft A.E.K. das Spiel mit 2:1 nach 0:1 Rückstand noch leidlich nach Hause gebracht hat, brüllt das ganze Stadion ein letztes Mal unisono „Penis“ auf griechisch, dann kann ich zurückkehren in den ganz normalen Malakawahnsinn.
Zwei Tage später sitze ich schon wieder im Flugzeug und denke zurück an die Zeit mit unser aller Malpi im einzigartig lumpigen Athen. Chaos ist ein griechisches Wort. Kein anderes charakterisiert ein Land besser, dass sich einer solchen Hauptstadt für schuldig erklären muss. Außer vielleicht noch das Meistgehörte: Malaka!
Während Deutschland bei gefühlten 15°F im Schnee versinkt, bin ich am 17. Februar unterwegs nach 15°C und Sonnenschein. Schon der Anflug ist traumhaft. Ca. einen Kilometer unter mir liegt, weißlich glitzernd an Hügel geschmiegt, der griechische Moloch, Chaoscity, Athen. Und dahin hat sich der Malpi seit 6 Monaten abgeschoben.
Ich kann euch berichten, er ist eigentlich ganz nett, der Malpi. Holt mich so vom Flughafen ab und versucht seiner finnischen Mitbewohnerin Maaria zu verkaufen, er sei ein Macho, während er abwäscht, Frühstück macht oder das Bad putzt. Maaria war von seinen Qualitäten als Macho bis zu meiner Abreise noch wenig überzeugt. Auch ich habe meine Zweifel.
Nachdem der Malpi alle Hausarbeiten erfolgreich erledigt hat, machen wir Sight Seeing. Der Wachwechsel vor dem Parlament, Monastiraki, die Akropolis – You can’t walk here! We are closed now! – die Universität, der Olympiapark. Investruinen neben Originalruinen neben Destruktionsruinen. Und überall, wo noch keine Ruinen stehen, werden welche gebaut.
Zum Beispiel an der Universität: Die philosophische Fakultät sieht – unglaublich aber wahr – noch ranziger aus als das EW-Gebäude. Der steinerne Kotzbrocken kann zu allem Überfluss noch nicht einmal Zweckmäßigkeit für sich reklamieren. Gleich daneben befindet sich ein großes Loch im Erdreich. Dort entsteht eine neue Unibibliothek. Der Malpi und ich schließen eine Wette, ob die Griechen mit dem Bau wohl bis zur Jahrtausendwende fertig werden. Malpi wettet dagegen, ich auch.
Anderes Beispiel, die Innenstadt. Spontane Löcher in der Straße werden schnell zu Fußfallen für leichtsinnige Touristen. Deshalb sind um manche dieser Löcher auch Kegel gestellt, um andere regelrechte Baustellenabsperrungen. Baustellen sind diese umrandeten Löcher allerdings nicht, denn das hieße ja, dass man an der Beseitigung des ursächlichen Problems interessiert wäre.
Die Löcher im Boden sind aber das geringste Problem in der Innenstadt. Was einen wirklich umbringt in Athen, das ist der Straßenverkehr. Rette sich wer kann! Wessen Fuß in einem Loch stecken bleibt, während ein hupendes Taxi herannaht, dessen Flüche sind gezählt. Malaka! Arschloch! Eines der wichtigsten Wörter, gerade auch in diesem Zusammenhang, und das erste von zwei griechischen Wörtern, die mir der Malpi beibringt. Das andere ist Sindagma. Verfassung.
Der Malpi selbst gibt täuschend echt vor, neugriechisch zu verstehen und sogar zu sprechen. Davon kann ich mich bei einem Fußballspiel von A.E.K. Athen, Malpis Lieblingsverein, gegen Herakles, Thessaloniki überzeugen. Während er die Gesänge von „A.E.K. olé!“ über „Fick dich, Herakles!“ bis „Ich ficke deine Mutter!“ (oder, wie es wortgetreu übersetzt heißen muss: „Ich ficke deine Mami!“) laut mitgrölt, muss ich mich auf das Nachäffen der obszönen Gesten beschränken. Nachdem die B-Klasse Mannschaft A.E.K. das Spiel mit 2:1 nach 0:1 Rückstand noch leidlich nach Hause gebracht hat, brüllt das ganze Stadion ein letztes Mal unisono „Penis“ auf griechisch, dann kann ich zurückkehren in den ganz normalen Malakawahnsinn.
Zwei Tage später sitze ich schon wieder im Flugzeug und denke zurück an die Zeit mit unser aller Malpi im einzigartig lumpigen Athen. Chaos ist ein griechisches Wort. Kein anderes charakterisiert ein Land besser, dass sich einer solchen Hauptstadt für schuldig erklären muss. Außer vielleicht noch das Meistgehörte: Malaka!
Teil II: So war das doch alles gar nicht - eine Gegendarstellung
von Sven Kosack
Ihr kennt das sicher auch: Es ist Wochenende, die Arbeiten der Woche sind erledigt, die Vögel zwitschern in den Gärten und zur Vervollkommnung meines Glückes bin ich auch noch 2500km von Osnabrück und den ganzen Bekloppten entfernt. Doch da klingelt es an der Tür. Kollegin Schulze. Die ich hasse, denn ich bin der Malpensant, und ich hasse das Leben.
Tatsächlich, kein Zweifel! Egal, wo man sich verkriecht, egal wie klar man gesagt hat, dass man einfach seine Ruhe haben will, sie erreichen einen doch immer: Gäste und GEZ-Briefe.
Kann man sich letzterer noch durch einfaches Verbrennen erwehren, so ist dies bei Gästen naturgemäß schon schwieriger. Und obgleich ich verzweifelt versuche, meine Anwesenheit zu leugnen, stürmt Kollegin Schulze doch endlich mit einem „Hallo Malpi, na, du sitzt wohl auf Deinen Ohren!“ in die Wohnung und breitet sich genüsslich aus. Zunächst wird ein kompletter Raum samt Schlafcouch von ihr in Beschlag genommen, danach das Badezimmer mit ihren unzähligen Kosmetika vollgestellt, und schließlich hat sie auch noch ein paar Dutzend Heimatkommunikazes mitgebracht, mit denen sie dann meine Erstausgabensammlung von Balzac-Werken verschandelt. „So, und nun lass es uns mal so richtig gemütlich machen!“, flötet sie gutgelaunt, was in mir die Galle hochtreibt. Es war so richtig schön gemütlich OHNE dich! Aber egal. Jahrtausendealte Regeln befolgend setze ich sie nicht vor die Tür, sondern mich an den Küchentisch und ein Lächeln auf. Das hält sie wohl für eine Einladung, denn was nun folgt, ist eine Laberkanonade bei Chips und Wein, nur ab und zu unterbrochen von Stuhlpflege oder Futternachschubbeschaffung.
Dabei kommt dann stets der Satz, mit dem Gäste gerne die Küche bis zur Unkenntlichkeit verwüsten: „Kann ich was helfen?“ Ich verneine und kümmere mich lieber persönlich um die Trogauffüllung. Kollegin Schulze frisst wie ein Scheunendrescher. „War halt ein langer Weg aus Osna hierher“, erklärt sie mir entschuldigend und kauend. Ich nicke. Dann verfalle ich wieder in schweigende Agonie, was sie zum Zeichen nimmt, mir immer weiteren Schwachsinn zu erzählen, bis dass das Niveau endlich nicht mehr zu unterbieten ist. Endlich hält sie um drei Uhr nachts die Klappe, und ich kann mich dankbar für ein paar Stunden in die Heia in eine Traumwelt aus Hänsel und Gretel, Lebkuchen, Öfen und Hexen flüchten. Die Hexe damals wusste wenigstens noch, wie man mit ungebetenen Gästen umgeht!
Und ebenso wie mich Kollegin Schulze heimsucht, so suchen auch ungebetene Gäste Griechenland heim. Mit einem „Heda, mehr Ouzo“ stürmen sie die Wiege der Kultur und trampeln die letzten intakten Tempel zu Ruinen. Ganz besonders gerne habe ich die amerikanischen Touristen. In kurzen Boxershorts und mit den schlechtesten Sonnenbrillen der Welt ausgestattet, stürmen sie unter ständigen „nice“-Rufen die antiken Stätten. Dass hier einige der größten Denker der Geschichte (meine Person eingeschlossen) umhergewandelt sind, interessiert sie wenig. Mehr sind sie an der Produktion der ewig gleichen Bilder mit einer dicken Frau in Leggins vor dem Parthenon oder dem Ankauf von Gipsstatuetten von Diskuswerfern interessiert. Die griechische Wirtschaft hat sich entsprechend darauf eingestellt und erzielt nun 99% ihrer Umsätze aus der Produktion und dem Verkauf von Touristennippes. Wer einmal auf der Suche nach einem lilaroten Muschelkästchen mit Muttergottesbildchen war, das beim Öffnen „Sonntags nie“ spielt, in Griechenland wird er es finden. Und noch weitere Dinge haben sich unsere Freunde aus Gyrosland ausgedacht, um sich für ihre Gäste zu rächen: Griechische Restaurants, die verkokeltes Schweinefleisch mit Gurkenjoghurt verramschen, die hässlichen Olympiamaskottchen (die aussehen wie ein Kondom über einem Trichter), die nervige Sirtakimusik, eine eigene Schrift zum Ausländer-Verarschen und hemdensprengendes Brusthaarwachstum, mit dem sie kleine Kinder erschrecken.
Kollegin Schulze scheint das alles aber wenig zu beeindrucken. Begeistert schießt sie Photos, shoppt T-Shirts mit Sprüchen wie „Kicken ist mein Hobby – Leider habe ich einen Sprachkehler“ oder „Es ist nicht alles Trübsal, was geblasen wird“ und zündet ein kleines Kerzlein der Ausländerintegration an, als sie sich ein AEK-Trikot kauft und im Stadion Fickparolen grölt. Auch ansonsten wuselt sie sich begeistert durch Athen, futtert Spinat und Käse in Blätterteigtaschen, ersteigt mit mir Ruinenbauten älteren (Akropolis) und neueren (Philosophische Fakultät) Stils, blinzelt in stetig wechselnden Brillen in die wärmende Frühlingssonne und scheint sogar ihren Frieden mit dem Athener Verkehr geschlossen zu haben. Jedenfalls überlebt sie sowohl Taxiattacken, Motorradangriffe als auch klaustrophobische Busfahrten, und das, obwohl sie zur Kommunikation mit den übrigen Straßenverkehrsteilnehmern lediglich das Wort „Malaka“ (Arschloch) gebrauchen kann und muss.
Soviel Souveränität nötigt natürlich Respekt ab. Ein Gefühl, dass ich überhaupt nicht mag. Und so bin ich dann ganz froh, daß Kollegin Schulze endlich ins Flugzeug steigt und wieder nach Osnabrück zurückkehrt, denn nun habe ich endlich Zeit, meine Feder aufs Papier zu senken und die Geschichte ihres Griechenlandbesuchs aus meiner Sicht zu erzählen. Denn ewig werde ich nie nett sein. Versprochen!
Tatsächlich, kein Zweifel! Egal, wo man sich verkriecht, egal wie klar man gesagt hat, dass man einfach seine Ruhe haben will, sie erreichen einen doch immer: Gäste und GEZ-Briefe.
Kann man sich letzterer noch durch einfaches Verbrennen erwehren, so ist dies bei Gästen naturgemäß schon schwieriger. Und obgleich ich verzweifelt versuche, meine Anwesenheit zu leugnen, stürmt Kollegin Schulze doch endlich mit einem „Hallo Malpi, na, du sitzt wohl auf Deinen Ohren!“ in die Wohnung und breitet sich genüsslich aus. Zunächst wird ein kompletter Raum samt Schlafcouch von ihr in Beschlag genommen, danach das Badezimmer mit ihren unzähligen Kosmetika vollgestellt, und schließlich hat sie auch noch ein paar Dutzend Heimatkommunikazes mitgebracht, mit denen sie dann meine Erstausgabensammlung von Balzac-Werken verschandelt. „So, und nun lass es uns mal so richtig gemütlich machen!“, flötet sie gutgelaunt, was in mir die Galle hochtreibt. Es war so richtig schön gemütlich OHNE dich! Aber egal. Jahrtausendealte Regeln befolgend setze ich sie nicht vor die Tür, sondern mich an den Küchentisch und ein Lächeln auf. Das hält sie wohl für eine Einladung, denn was nun folgt, ist eine Laberkanonade bei Chips und Wein, nur ab und zu unterbrochen von Stuhlpflege oder Futternachschubbeschaffung.
Dabei kommt dann stets der Satz, mit dem Gäste gerne die Küche bis zur Unkenntlichkeit verwüsten: „Kann ich was helfen?“ Ich verneine und kümmere mich lieber persönlich um die Trogauffüllung. Kollegin Schulze frisst wie ein Scheunendrescher. „War halt ein langer Weg aus Osna hierher“, erklärt sie mir entschuldigend und kauend. Ich nicke. Dann verfalle ich wieder in schweigende Agonie, was sie zum Zeichen nimmt, mir immer weiteren Schwachsinn zu erzählen, bis dass das Niveau endlich nicht mehr zu unterbieten ist. Endlich hält sie um drei Uhr nachts die Klappe, und ich kann mich dankbar für ein paar Stunden in die Heia in eine Traumwelt aus Hänsel und Gretel, Lebkuchen, Öfen und Hexen flüchten. Die Hexe damals wusste wenigstens noch, wie man mit ungebetenen Gästen umgeht!
Und ebenso wie mich Kollegin Schulze heimsucht, so suchen auch ungebetene Gäste Griechenland heim. Mit einem „Heda, mehr Ouzo“ stürmen sie die Wiege der Kultur und trampeln die letzten intakten Tempel zu Ruinen. Ganz besonders gerne habe ich die amerikanischen Touristen. In kurzen Boxershorts und mit den schlechtesten Sonnenbrillen der Welt ausgestattet, stürmen sie unter ständigen „nice“-Rufen die antiken Stätten. Dass hier einige der größten Denker der Geschichte (meine Person eingeschlossen) umhergewandelt sind, interessiert sie wenig. Mehr sind sie an der Produktion der ewig gleichen Bilder mit einer dicken Frau in Leggins vor dem Parthenon oder dem Ankauf von Gipsstatuetten von Diskuswerfern interessiert. Die griechische Wirtschaft hat sich entsprechend darauf eingestellt und erzielt nun 99% ihrer Umsätze aus der Produktion und dem Verkauf von Touristennippes. Wer einmal auf der Suche nach einem lilaroten Muschelkästchen mit Muttergottesbildchen war, das beim Öffnen „Sonntags nie“ spielt, in Griechenland wird er es finden. Und noch weitere Dinge haben sich unsere Freunde aus Gyrosland ausgedacht, um sich für ihre Gäste zu rächen: Griechische Restaurants, die verkokeltes Schweinefleisch mit Gurkenjoghurt verramschen, die hässlichen Olympiamaskottchen (die aussehen wie ein Kondom über einem Trichter), die nervige Sirtakimusik, eine eigene Schrift zum Ausländer-Verarschen und hemdensprengendes Brusthaarwachstum, mit dem sie kleine Kinder erschrecken.
Kollegin Schulze scheint das alles aber wenig zu beeindrucken. Begeistert schießt sie Photos, shoppt T-Shirts mit Sprüchen wie „Kicken ist mein Hobby – Leider habe ich einen Sprachkehler“ oder „Es ist nicht alles Trübsal, was geblasen wird“ und zündet ein kleines Kerzlein der Ausländerintegration an, als sie sich ein AEK-Trikot kauft und im Stadion Fickparolen grölt. Auch ansonsten wuselt sie sich begeistert durch Athen, futtert Spinat und Käse in Blätterteigtaschen, ersteigt mit mir Ruinenbauten älteren (Akropolis) und neueren (Philosophische Fakultät) Stils, blinzelt in stetig wechselnden Brillen in die wärmende Frühlingssonne und scheint sogar ihren Frieden mit dem Athener Verkehr geschlossen zu haben. Jedenfalls überlebt sie sowohl Taxiattacken, Motorradangriffe als auch klaustrophobische Busfahrten, und das, obwohl sie zur Kommunikation mit den übrigen Straßenverkehrsteilnehmern lediglich das Wort „Malaka“ (Arschloch) gebrauchen kann und muss.
Soviel Souveränität nötigt natürlich Respekt ab. Ein Gefühl, dass ich überhaupt nicht mag. Und so bin ich dann ganz froh, daß Kollegin Schulze endlich ins Flugzeug steigt und wieder nach Osnabrück zurückkehrt, denn nun habe ich endlich Zeit, meine Feder aufs Papier zu senken und die Geschichte ihres Griechenlandbesuchs aus meiner Sicht zu erzählen. Denn ewig werde ich nie nett sein. Versprochen!