Le Malpensant geht ins Bett

von Sven Kosack

erschienen in Kommunikaze 13, Februar 2005

Es ist drei Uhr in der Nacht, ein euphorisierender Rausch von Bier hat mich eingehüllt, ich habe eben auf einer Party ein Mädchen abgeschleppt, das sich sogar auch abzüglich des Bierfaktors als tageslichttauglich entpuppen dürfte, wir gehen Arm in Arm nach Hause, und ich sehe einer prickelnden Nacht entgegen. Ihr fragt, ob ich glücklich bin? Bin ich bekloppt? Denn ich bin der Malpensant, und ich hasse das Leben!

Was soll schon so besonders daran sein, sich nackt auszuziehen und Körperflüssigkeiten auszutauschen. Ein Vorgang, der oft überbewertet wird. Statt dessen könnte man doch auch wertvollere Sachen austauschen. Eine Tasse Mehl gegen 2 Eier etwa (und lecker Omelette machen!). Ein Blick auf meine Begleitung neben mir sagt mir, dass sie zuviel Östrogen in die Arterien gepumpt hat, um noch an Kochen zu denken. Ich beginne, die Panik zu begreifen, mit der viele Frauen auf gierige Männerblicke reagieren. Soviel zur Gleichberechtigung.

A propos Emanzipation: Wieso müssen eigentlich noch immer wir Kerle für die Getränke zum Abfüllen aufkommen? Wieso gibt es keine Männerparkplätze? Wieso keinen Männerbeauftragten? Wieso kein männergerechtes Gegenstück zu Ally McBeal, Sex in the City oder Marienhof? Nur so ‘ne Frage.

Meine Eroberung zieht mich ungeachtet meiner Gedanken weiter zu sich nach Hause, schließt die Tür auf und fällt über mich her, wobei sie versucht, alle Kusstricks aus der letzten Young Miss anzuwenden, deren sie sich noch entsinnen kann. Ich weiche zurück. Ein Fehler, denn einen Moment später fällt die Tür ins Schloss und ich werde ins Schlafzimmer gedrängt. Ich bemerke aus den Augenwinkeln die obligatorischen Accessoires eines jeden Mädchenzimmers: lila Wände, Lavalampe, Plüschtierarmee auf dem Bett, Airbrushbild von einem fernen Palmenstrand (gerne mit Delphin), Photos der Raumeigentümerin inmitten gaaaanz vieler Freundinnen und natürlich ein abschließbares rotes Kästchen auf dem Nachttisch. Wohingegen Männerschlafzimmer ganz anders aussehen: weiße Rauhfasertapete, Poster von Filmen, Rockbands oder fernen Städten, eine Packung Kondome in Griffweite des Bettes (et könnt ja mal sein, dat…), ein paar dicke Bücher, die Intellektualität vortäuschen sollen, häufig Pokale oder Medaillen, die Klamotten des Vortages auf dem Boden oder über einem Stuhl und - ganz wichtig- irgendein Statement, das Rebellentum verkündet. Sei es die Konföderiertenflagge, die eingemottete Bong oder das ausgeblichene Che-Guevara-Poster. Hauptsache mal so richtig schön wild sein.

Ich verdränge den Gedanken und stelle mich wieder der Gefahr: Meine Eroberung hat mich inzwischen aufs Bett gedrückt, meinen Oberkörper entblößt und auch ihren BH fallen lassen. „Oh Malpi, Du hast einen so schön männlichen Oberkörper!“, seufzt sie rollig und streicht mir durch die Brusthaare. Das Kompliment gebe ich ihr gerne zurück. „Na los! Sag, wie findest Du meine Brüste?“, fragt sie. „Och, rein zufällig. Mich kitzelte was am linken Auge und schwupps, da waren sie.“ Grummeln ihrerseits. 1:0 für mich. Nichtsdestotrotz zieht sie mich weiter aus. Plötzlich übernimmt die gute alte Mutter Natur meine Bewegungskoordination, und mein Gehirn hat erst mal Sendepause. Angenehm, nicht denken zu müssen, einfach nur zu genießen. Das kapieren Frauen natürlich nicht. Meine bombardiert mich mit Fragen wie „Oh, ist das geil. Für Dich auch? Ja, ist das super! War es für Dich jemals so schön? Komm, gib Dich mir hin! Los, mein Stier, gib mir Tiernamen! Sag mir was Schmutziges.“ Piep. Piep-piep. Piep-piep-piep-piep. Mein Gehirn schaltet sich wieder ein und ich kann mich nur mit Mühe dem alten Kalauer “Antwort=Küche“ erwehren. Statt dessen gucke ich  sie treuherzig an, zwinge mir ein Lächeln ab und beschließe, ihr ein für alle Mal ein Trauma zu verpassen indem ich antworte: „Oh ja, Du kleiner böser Pottwal, mach mich alle, aber mach Dich bitte etwas leichter. Denn dann massiert mich Deine Cellulitis so schön kitzelnd mit!“

Den verstörten Moment, den sie innehält, nutze ich, um mich zu befreien, aus dem Bett zu springen und zu fliehen. Wohin? Naja, ich probier mal den AStA, vielleicht haben die ein Plätzchen frei für mich. Oder wahlweise: zu einem Kumpel in die WG.