Le Malpensant geht zum Sport

von Sven Kosack

erschienen in Kommunikaze 10, Mai 2004

Okay, ich bin etwas zu spät dran. Das Jahr ist inzwischen gut vier Monate alt, und Schlaumeier unter Euch können nun argumentieren, dass meine Neujahrsvorsätze veraltet sind und keinen mehr interessieren. Aber was interessieren mich schon diese Schlaumeier? Denn ich bin der Malpensant, und ich hasse das Leben.

Wir schreiben das Jahr 2004, und es wird wohl das 2004. Mal sein, dass man sich Weihnachten überfressen und anschließend reuevoll den Gang nach Canossa angetreten hat, den Gang ins Sportzentrum. Doch welche dieser Schweißbuden soll ich anstreben? Nun, da mich mein Studentenführer liebevoll auf die Segnungen des Unisportes hingewiesen hat, beschließe ich, mich den Wonnen der universitären Leibesertüchtigung hinzugeben. Was sich als Fehler herausstellt.

Denn erstens muss man sich das Stählen des Körpers mit denselben verfilzten Typen teilen, die einem schon in jedem Seminar auf die Nerven gehen, zweitens sind die Räumlichkeiten sogar noch verfilzter, und drittens trifft man garantiert am Folgetag einen aus dem Sportkurs in der Mensa, der einem kollegial auf die Schultern klopft und einem gegenüber die Granatenidee überhaupt äußert: „Höhö, da haben wir ja gestern ganz gut geschwitzt, was? Na, da müssen wir ja aufpassen, dass wir nicht an Schwindsucht sterben. Lass’ mal bei Pommes Olaf ‘all you can eat’ machen!“. Womit dann alle Trainingserfolge sofort ad actibus gelegt wären.
Dann doch lieber zum Fitnesscenter. Meistens sind das ehemalige Fabrikhallen, die mit ein wenig weißer Farbe, Parkettimitat und ganz vielen tollen Plakaten für Eiweißpräparate aufgehübscht wurden. Ich betrete also das nächstbeste. Am Thresen verspreche ich, mich auch ganz bestimmt sofort anzumelden, sobald ich nur eine allerletzte Probestunde geschoben haben werde, nur um mir auch wirklich ganz sicher zu sein. Das erzähle ich dem Typen inzwischen zum circa zwölften Mal. Trottel. Ich ziehe mich um und bekomme sofort die ersten Schauder: Ein steroidgeblähter Schönling steht vorm Spiegel und küsst seinen Bizeps. Ich tät’ diesem Narziss eine langen, wäre er nicht stärker als ich. Ein Grund mehr dafür, nun endlich anzufangen. Und sofort, nachdem ich die Umkleide verlassen habe, klappt sich vor meinem geistigen Auge eine Liste zum Abhaken der häufigsten Peinlichkeiten auf:

Ohne-Handtuch-Geräte-Vollschwitzer, Bierbauch-/Cellulitis-D-mit-Radlerhosen-Kombinierer, Muskelschränke mit kleinen Pickeln auf dem Rücken und Dopingnadeleinstichen am Arm, Frauen mit Heulkrampf neben der Waage, selbstverliebte Vor-Spiegel-Hantel-Heber, Trainierende, die jede ihrer Übungen mit dem spannenden Monolog „Hmm-Pfff-Hmm-Pfff-Hngrrrr“ begleiten und Trainer, die sich besorgt blickend um die jüngeren weiblichen Trainierenden scharren, um ihnen sofort und jederzeit „Hilfestellung“ geben zu können und dabei soviel an ihnen herumgrabbeln wie eine Busladung Rentnerinnen auf dem Miedertisch beim letzten Sommerschlussverkauf. Mir reicht all das Elend. Ich fliehe zum Schwimmbad.

Was sich als Fehler entpuppt.

Denn im Sommer sind dort mehr krakeelende Verhütungsfehler als im schlimmsten IKEA-Kinderparadies, die einem die Sicht auf die sexy Oben-ohne-Mieze auf dem Handtuch neben einem zunichte machen, und im Winter entspannt sich nämliche Busladung Rentnerinnen nach der Schlacht am Wühltisch bei der Wassergymnastik. Planwechsel. Reiten? Vor meinem geistigen Auge tauchen kleine Gören mit Pferdeschwanz auf, die beglückt über ihr Wendy-Abo quieken und Pferde „voll schön“ finden. Denen will ich mich wirklich nicht zurechnen. Skifahren? Harhar, wir befinden uns in Osnabrück, der Stadt, wo es nur regnet, aber nie schneit.

Ich gehe also Laufen. Übersetzung an alle Trendsetter: Das bedeutet Inlineskaten ohne Rollen oder Joggen ohne albernen Schweißbänder und Nylonanzüge in so abgedrehten Farben, dass noch nicht mal die Milka-Kuh sie auf ‘nem Transvestitenball trüge. Ich beginne also, meine Runden auf dem Schölerberg zu drehen, wo sich eine Runde bewalkmanter Weight-Watchers- und Weight-Walross-Kandidaten vor mich schiebt. Nachdem ich 3 Kilometer lang beobachtet habe, wie sich bei der Frau vor mir durch die weiße Radlerhose ein 300-Kilo-Hintern samt zugehörigen Stringtanga abzeichnet, wird mir schlecht, und ich drehe ab. Was bleibt? Badminton? Das macht einem nur Spaß, solange man sich vorstellt, daß man mit Bratpfannen auf einen halbgerupften Wellensittich eindrischt. Schlanktanzen? Bis man sich die DJ-Bobo-Diskomusik schöngesoffen hat, wiegt man locker 2 Kilo mehr. Volleyball? Also bitte! Wir alle haben damals Mila Superstar aus demselben Grund geguckt, aber sie hat sich nie geduscht! Fußball?

Okay, auf zum VfL. Womit der Gedanke auch gestorben ist. Denn so lustig es auch ist, sich anzuziehen wie die Milkakuh…. Okay, ich hör ja schon auf. Aber nun fühle ich mich wenigstens etwas gestählt. Schön aussehend. Wie ein Halbgott. Und auf den Schwingen dieses Gefühls beschließe ich, mir eine Frau suchen zu gehen.