erschienen in Kommunikaze 7, November 2003
Heidewitzka! Weiter geht es zum zweiten, dem eigentlichen Bermudadreieck. Da, wo sich alle amüsieren und schweinegut drauf sind. Also da, wo all die Bekloppten versammelt sind, die ich verabscheue. Denn ich bin der Malpensant und ich hasse die Menschen.
Kaum im zweiten Bermudadreieck angekommen, stürze ich mich schon ins Countdown. Eine Kneipe mit dem Mörderclou, dass eine Billigwebcam ein Livebild auf einen LCD-Hyperflachbildschirm projiziert. Doch mit welcher Liveübertragung mag sich das anspruchsvolle Publikum unterhalten? Copa Cabana? Uno-Vollversammlung? Meeresrauschen? Mitnichten! Das Zentrum der Liveübertragung ist der Bürgersteig vor der Kaschemme mit Hundehaufen, Fahrradreifen und Schuhen, ab und an aufgemöbelt durch grimassenschneidende Idioten, die den Leuten drinnen mal ‘ne echt krass lässige Show bieten wollen. Vielen Dank. Ich verzichte. Beim Verlassen der Kneipe erkenne ich plötzlich den Sinn in diesem Quark: Den Vollnasen im Inneren soll suggeriert werden, dass es da draußen eh nichts Interessantes gibt und dass - verglichen mit der Actionlocation Bürgersteig - sogar der einen vollblubbernde Fettsack neben einem superinteressant ist.
Nicht für mich. Ich gehe in die Sonderbar. Was soll man sagen? Ein supergenialer Ort! Ganz toll! Vor allem dann, wenn man es liebt, in der Kneipe einen satten Viertelquadratmeter Platz zu haben! Juppheidi, das Amüsement ist dann quasi das gleiche wie auf einem Stehplatz im Berufsverkehrbus, während man Gaga-Schlager-Mucke hört während einem ein freundlicher Mitbürger einem unverbindlich mal zu Probe Zigarettenqualm ins Gesicht bläst. Dazu gibt’s dann gratis Knabbergebäck aus großen Schüsseln, in die irgend jemand unter Garantie schon mal reingeascht hat. Mjammjammjam!
Da doch vielleicht besser in den Wintergarten. Osnabrücks Mehrzweckkneipe. Dienstags eine Halbpreisdiscokneipe, sonntags Frühstücksbuffetlounge und wahrscheinlich montags dann Kino und mittwochs Schwimmbad. Was weiß ich. Jedenfalls finde ich die Wendeltreppe zur Toilette voll knorke! Affensteil und supereng. Was man folgerichtig ausnutzen kann: Wenn man also so tut, als zöge man sich am Treppenfuß eine Packung Zichten aus dem Automaten, kann man voll Wonne beobachten, wie sich ein Dutzend Studenten auf der Treppe stauen und sich einen Blasenriss holen. Nur so als Tipp für launige Tage.
Aber ich wollte ja noch in die Disco. Zunächst einmal zieht’s mich ins Alando, der trendy hippen Location für alle angesagten Yuppie-Nasen. Ein umgebautes Schwimmbad, bei dem man vergessen hat, beim Umbau die Typen zu entfernen, die einen auch im Schwimmbad immer auf die Nerven gehen: Braungebrannte Goldkettchenträger, Haarsprayblinzen mit wenig Stoff an, Familienväter auf der Suche nach dem etwas jüngeren Betthäschen, lärmende Heranwachsende, denen man gerne mal die Schnittmenge mit der Kettensäge erklären möchte und Bademeister, die das ganze Treiben regungslos überwachen.
Großartig! Und da man ja auch gerne ein wenig auf große Hose macht, bringt man im Alando immer wieder B-Klasse-Promis wie Kalle Pohl, die Miss-Deutschland-Wahl (vgl. Kommunikaze 2!) oder den Schwager vom Cateringzulieferer der Backgroundtänzer von BRITNEY SPEARS! Dazu kommt dann der neu erworbene Titel des „besten Clubs“, den irgendein Depp ihm wohl durch irre viele Doppelklicks im Internet verschafft hat. Damit brüstet man sich nun gerne stadtbedeckend auf Plakaten. A pros pros „Brüsten“. Von denen sieht man ja immer zu wenig.
Es sei denn, man geht ins Alpenmax. Dort bekommt man massig weibliche sekundäre Geschlechtsorgane präsentiert, wenn man bei einer „Wet-T-Shirt“ oder einer „Mach-dich-nackisch-für-frei-saufen-Party“ vorbeikommt. Dass die Parties wirklich so heißen, zeigt, welch Geistes Kind das Alpenmax ist. Dennoch habe ich mich aus Forscherdrang hierher begeben und studiere die Location: Endlos lange Theken zum Alkohol Nachbestellen, eine Tanzfläche mit massigen 7m² und überall an den Wänden Bilder von besoffenen Schweinen. Dazu eine Deko, die aussieht, als wäre ein geisteskranker Innenarchitekt an exakt zwei inspirierenden Orten aufgewachsen: Einer Bayrischen Alphütte und dem paderborner Weihnachtsmarkt. Gruselig. Mich hält hier nichts.
Stattdessen beschließe ich abschließend, den Hydepark zu besuchen. Der Hydepark hat zwei Vorteile. Leider beide für den Betreiber. Dass er abgeschieden und potthäßlich ist. Denn da er potthäßlich ist, muß man ihn sich mit mindestens 5 Desperados schönsaufen. Da er abgeschieden ist, kann man sich nicht nach dem ersten Schock unauffällig von seinen Kumpels verabschieden und verpissen, ohne deren Fahrgelegenheit zu entwenden. Und somit sehen auch alle Leute im Hydepark so aus, als wollten sie weg, könnten aber nicht und wären nun gezwungen, sich dort zu amüsieren. Sie stromern mit verdrossenen Mienen über das Parkett und bewegen sich zu der absolut unabhängigen Independent-Musik (auf Deutsch: Keine Plattenfirma würde je so eine Schrottband unter Vertrag nehmen) apathisch über das Parkett in der viel zu großen Halle, so dass man sich ständig des Eindruckes erwehren muss, ein Dutzend H&M-Kunden hätten kollektiv im Parkhaus einen epileptischen Anfall bekommen.
Mir reicht’s- Ich sallere mir in der Hoffnung auf einen gnadenvollen Filmriss 10 Tequila in die Rübe und beschließe, bevor ich mit dem Kopp auf der Theke aufschlage, das nächste Mal Shoppen zu gehen. Diesmal wirklich.
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