BdK Folge VIII: Kurzurlaub im Milliardengrab

von Stefan Berendes

erschienen in Kommunikaze 13, Februar 2005

Das neue Jahr ist noch keinen Tag alt, da verlangt mich schon nach „Wellness“, dem zuvor nächtens an der Berliner Siegessäule in Grund und Boden gerockten Leib soll zum Ausgleich etwas Gutes getan werden, vorzugsweise mit warmem Wasser oder so.

Das warme Wasser meiner Wahl findet sich rund 70 Kilometer östlich von Berlin, also mitten in einem Teil der Mark Brandenburg, der noch nicht mal zu Prosazwecken als beschaulich tituliert werden kann: Das karge Land gleicht einer Mondlandschaft, zumal nachts, hier sagen sich nicht einmal mehr Hase und Igel gute Nacht, aber hier ist es, hier steht es: Deutschlands erstes und bislang einziges Tropical Islands Resort.

Schauplatz dieses verheißungsvollen Konzeptes ist eine mehr als hundert Meter hohe Halle, in der weiland Zeppeline zum Warentransport gebaut werden sollten. Tatsächlich wurde die Halle aber nur benutzt, um alle halbe Jahr der Aktionärsversammlung der Cargolifter Holding noch größere Unsummen aus dem Kreuz zu leiern. Und doch: Wer bei der Lektüre der Financial Times nur darüber den Kopf geschüttelt haben mag, dass man Berge von Geld kassieren kann, indem man einfach um eine unglaublich dumme Idee herum eine möglichst große Halle baut, der kann keinen wirklichen Begriff vom architektonischen Wahnwitz dieses Gebäudes haben:

Verschiedene europäische Denkmäler passten gleich mehrmals hinein, so wie wohl auch die meisten Städte der näheren Umgebung. Das Gebäude wirkt mit seiner irrwitzigen Hi-Tech-Architektur wie eine Dr. No-Basis aus einem alten James Bond-Film. Die Reminiszenz zum Geheimagenten ihrer Majestät der Königin geht im Inneren des Molochs direkt weiter, denn hier wartet zwar kein größenwahnsinniger Irrer nebst Vernichtungswaffenarsenal, wohl aber gibt es jenen Miniaturregenwald, der aus ähnlichen Bösewicht-Geschäftsstellen allenthalben bekannt ist; Ein asiatischer Investor hat hier ein tageszeitunabhängiges Südseeparadies geschaffen, komplett mit Tropendorf, Lagune und Mangrovensumpf, in dem - man kann es sich bildlich vorstellen -  dereinst auch die Investorenmilliarden versackt sein mögen. Grundüberlegung des Ganzen: die Deutschen haben es gerne warm, verlassen aber weniger gerne Deutschland und fallen besonders ungern im Ausland Wetterphänomenen zum Opfer. Also kann man hier zu jeder Jahreszeit das Meer besuchen, bevor das Meer einen besucht.

Anderswo im deutschen Osten hätte man dem neuen Besitzer hochherrschaftliche Schlösser mit dutzenden von Zimmerfluchten für ein paar Euro nachgelassen, hier jedoch musste er mit rund 70 Millionen Euro aus der Tasche kommen. Das ist ein ganz schöner Batzen, und wieviele Menschen im Laufe eines Jahres ihre Füße in die Südseelagune halten müssen, damit am Ende eine schwarze Zahl auf der gepunkteten Linie steht, hat schon der Stern ausgerechnet. Die Zahl ist von ähnlich grotesker Größe wie der Bau, insofern passt’s dann wieder zusammen. Einstweilen muss sich aber noch einiges tun, denn: Die Südsee ist im Grunde ganz schön langweilig, wenn sie nicht in der Südsee stattfindet. Auf der Suche nach etwas Action treibe ich stundenlang im Strömungskanal in der Runde. Ganz angenehm ist das schon, aber in Zeiten des globalen Dorfes ist die Südsee ja zeitlich etwa genausoweit von Osnabrück entfernt wie die Mark Brandenburg, das darf man auch nicht vergessen.

Bei allem Tropenflair dann auch: Die Pommes mit Bratwurst kosten sieben Euro, der echte Sand aus der Lagune pappt ständig an den Füßen, in der Umkleidekabine zieht es wie Hechtsuppe, und die Südseekleidchen der Empfangsdamen scheinen optisch eher Ostwestfalen als Südostasien entlehnt. Das alles macht das Indoor-Tropenparadies trotz asiatischem Investor fast schmerzhaft deutsch.

Mal sehen, ob es sich rechnet.