BdK Folge VII: Der Kurze-Hosen-Führerschein

von Stefan Berendes

erschienen in Kommunikaze 11, November 2004

Juchheißa ist das herrlich: Der Winter ist vorüber, vorbei ist der April. Endlich wird es wieder warm, wird es Frühling, wird es Sommer. Die Triebe schlagen aus, im Botanischen wie im Psychologischen, und endlich lässt sich wieder den gesamten Nachmittag trefflich in der uninahen Grünanlage lümmeln, oder - wie dereinst so richtig besungen: Summertime and the living is easy.

Ich sitze hier, mitten auf der Schlossterrasse, der Glutball am Himmel brät mir mit mindestens hundertzwanzig Ohm auf die werdende Mittelkopglatze und macht alles so wunderbar egal. In der Ferne toben Kleinkinder durch die rauschenden Springbrunnen, fleißig auf der Suche nach der ersten Pilzerkrankung. Die Studierendenschaft lebt locker in den Nachmittag hinein, und alle diejenigen, deren Professoren nocht nicht selbst ins grüne Shangri-La geflüchtet sind, stapfen mit schildkrötenhaft vorgerecktem Hals, schwerer Büchertasche und unleidlichem Gesichtsausdruck missgelaunt an mir vorbei gen Seminar. "Hilft nichts, Kinder", denke ich mir, "es muss auch jemand die Fahne hochhalten", und nehme einen Schluck von meinem Saft des Tages.

Nun ist es ja aber leider so: Wenn es warm wird, dann steigt bei Vielen in der Großhirnrinde wohl nicht nur die Temperatur, sondern auch die Durchlässigkeit für ungute Ideen. zum Beispiel die Eingebung, sich in sommerlicher Kleidung der Außenwelt zu präsentieren. Spätestens aber, wenn hier Sandalen und kurze Hosen zum Einsatz kommen, sind die Grenzen zur Körperverletzung fließend, und das Wort "Fashion Victim" erhält eine ganz neue Bedeutung.

Denn unvermittelt treten dort Körperteile ins Rampenlicht, die den Rest des Jahres wohl nicht nur zwecks Wärmung verhüllt bleiben, und der Blick auf manche krampfgeäderte, madenweiße Wade unter grobkarierten Bermudashorts legt beredtes Zeugnis davon ab, warum gutgemachte altgriechische Plastiken immer kurz unterm Oberschenkel aufhören. Und auch der Männerfuß in Sandalette wird schon nicht ohne Grund auch in der modernen Lyrik eher selten besungen -- es gibt einfach Orte, da sind Menschen in aller Regel nicht schön.

Es müsste, so denke ich mir, einen Führerschein für kurze Hosen geben, komplett mit passender Sandalenverordnung. Paragraph I, Absatz 1 analog zur Straßenverkehrsordnung: Die Grundlage des Tragens von kurzen Hosen ist Umsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Um ihnn zu erwerben, muss man wie beim Führerschein einen Test bestehen: Wer grellbunte Shorts mit tropischen Motiven in Neonfarbe bevorzugt, ist sofort raus, ähnlich wie jemand, der bei der Führerscheinprüfung ein Stoppschild überfährt. Kratzen im Schritt ist komplett verboten und kostet - wie Telefonieren beim Autofahren - direkt 50 Euro. Und wer zusätzlich noch Sandalen tragen will, der muss als Voraussetzung beim Straßenverkehrsamt regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Fußpfleger seines Vertrauens nachweisen. Freibäder sind gesetzlose Zone, so ähnlich wie Verkehrsübungsplätze - da ahnt ja vorher auch jeder, was ihn an Furchtbarem erwarten könnte. Und wir wollen ja auch nicht päpstlicher sein als der Papst.

Nichtsdestotrotz machte ein solcher Führerschein natürlich bei Zuwiderhandlung drakonische Strafmaßnahmen erforderlich: Wer ohne Trageerlaubnis in Hotpants erwischt wird, zahlt ein saftiges Bußgeld und erhält einen sofortigen Platzverweis. Und bei Wiederholungstätern ist die Hose sofort komplett weg, und zwar für den Rest des Jahres.
Und da zeigt die feine Idee ihre ersten Nachteile: Wer soll das alles anden? Und haben wir nicht schon genug Regeln in Deutschland? ist nicht gar das Recht auf das Tragen von kurzen Hosen und Herrensandaletten ein verbieftes Grundrecht? Wer weiß es schon?
Wer nun denkt, ich schriebe das alles aus der Sicherheit desjenigen, der traumhaft schöne Beine hat, der irrt. Um Gottes Willen, nein! Aber ich für meinen Teil trage auch nur im eigenen Garten kurz. Da dann gerne auch mal ganz ohne Hose...ähhh, aber wie gesagt: Nur im eigenen Garten!

In öffentlichen Grünanlagen hingegen lasse ich andere mit meinen Unterschenkeln in Ruhe und möchte, dass zumindest Menschen in ästhetischen Grauzonen es mir mit Gleichem vergelten. Und träume weiter vom Kurze Hosen-Führerschein -- und der kommt bestimmt. Spätestens bei der nächsten EU-Erweiterung, oder wenn die Regierung durchschaut hat, dass da noch Geld zu holen ist!