Chez Grundorf

von Darren Grundorf

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erschienen in Kommunikaze 18, April/Mai 2006

Chapeau, Chapeau! Darren Grundorf gibt wieder eine intime Soiree für seine Freunde. Einmal mehr ist die Redaktion der Kommunikaze im Ostflügel des weitläufigen Appartements zu Besuch, um die schönen Künste und die guten Redensarten zu feiern. Und schaut her, am Kamin haben sich Sven Kosack und Penelope Proust schon in die Corbusier-Sessel fallen lassen, wo Volker Arnke beflissen Cognac und Schwenker bedient. Ab und zu springt ein Funke aus dem prasselnden Kamin und setzt kleine Brandflecken in den Isfahan-Teppich, den die Redakteure dem Gastgeber mal zum Namenstag geschenkt haben. Im Spiegelsaal nehmen Jan Paulin und Anna Groß vom üppigen Buffet. „Fisch mag ich am allerliebsten auf der ganzen Welt“, freut sich ein aufgeregter Paulin.

Im Landschaftszimmer gegenüber, wo eine ausgestopfte Kegelrobbe von einer alten Reisereportage der Kommunikaze erzählt, hat Michael Weiner das Loch seiner Pfeife gestopft, um am anderen Ende des Tabaks Würze tüchtig zu schmatzen. An den Wänden prangern angeberisch zahlreiche gerahmte Ehrungen, die von der ruhmreichen Historie der beliebten Zeitschrift kundtun. Stefan Berendes vergießt eine Träne der Wehmut, als er sie nach und nach betrachtet. Redaktionspraktikant Jörg „Maschine“ Arensmann reicht ihm ein besticktes Taschentuch. Ja, liebe Freunde, die Glorie der Redaktion steht in der Tat an Grundorfs Wände geschrieben. Alle haben sie hier ihren Platz gefunden. Zum Beispiel der Egon Erwin Kisch-Preis für Jan Christopher Kalbhenn und seine Reportage über den Marianengraben, natürlich der Publikumspreis der Hölderlin-Festspieltage für Darren Grundorfs Erzählband „Der Sperling kackt zur vollen Stunde“ und eine Urkunde des Umweltreferats der Stadt Osnabrück für Jan Paulins erfolgreiche Teilnahme an der Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“. „Chapeau! Chapeau!“ kann man da nur sagen.

Und deswegen sind die Redakteure heute Abend zusammen gekommen. Nun, da Tobias Nehren noch ein Stück Birke in des Feuers Glut steckt, füllt sich der Saal allmählich. Früher traf sich die Kommunikaze hier noch im intimen Kreis mit Literaten und Verlegern. Unvergessen dabei Siegfried Unseld, wie er uns vor dem Kamin aus Max Frischs da noch unveröffentlichtem „Homo Faber“ vorlas oder Wolfgang Koeppen, wie er über das restaurative Nachkriegsdeutschland dermaßen in Rage geriet, dass er die Cognac-Gläser vom Tisch rakte oder Klaus Kinski, der, kaum war er in den Saal getreten, was von „pestgetränkten Huren“ schrie, die Möbel durch den Raum schleuderte und am Ende vom Kronleuchter aus auf einen Teppich vor dem Kamin urinierte, den die Redaktion dem Gastgeber mal zum Namenstag geschenkt hatte. Esther Ademmer muss schmunzeln, als ihr die lustige Geschichte wieder einfällt. Heute Abend kommen jedoch keine Koeppens und Kinskis, immerhin aber 50 handverlesene Gäste und ein paar Freunde der Redaktion, um mit Kommunikaze Geburtstag zu feiern.

Redaktionsmaskottchen Sebastian Ellinghaus harkt fleißig den Kies und lässt am Gartentor freilich nicht jeden rein -- und schon gar nicht alle auf einmal! Zu groß ist die Gefahr, etwas könnte kaputt gehen oder beschmutzt werden. Dennoch hat sich ein heiteres Publikum zum ersten Teil der sechsstündigen Ringlesung vor dem Kamin versammelt. Im Spiegelsaal hat Veit Larmann derweil an einem Mahagoni-Ensemble Platz genommen, um die große Interview-Ausgabe eines vergangenen Sommers zu signieren. Auf Nachfrage erzählt er von seiner Zeit in Portugal. Zurück im Kaminzimmer schwingt Applaus durch den Raum. Sebastian Rohling verneigt sich eifrig, doch es wird schon Zeit für die nächsten Gäste. Nach und nach füllt und leert sich der Saal, ist Stille, hängen die Zuhörer an den Lippen der Redakteure, um dann wieder im überschwänglichen Beifall den Vorlesern zu huldigen. Och, und da kommen auch Konsul Möller und Rittmeister Geerds und tragen ihr Geschenk, eine äthiopische Torte, in den Saal. „Hm, die sieht ja gut aus!“, reibt sich Sven Kosack den Bauch.

Anna Groß wirft an diesem Abend die letzte Lyrik in den Raum, und dann beginnt ein fröhliches Fest. Der Cognac fließt, die Torte schmeckt, und bald weilt ein Lachen und ein Scherzen im ganzen Haus. Michael Weiner nimmt sich gleich zwei Stück Torte auf einmal. Dieser alte Teufelskerl! Kapellmeister Paulin besorgt die Musik und sogleich verliert sich ein Teil der Redaktion in einer munteren Quadrille. Ressortleiter Kochen und Backen Berendes mag es ein wenig deftiger und steppt, berauscht vom Cognac, auf dem ausladenden Glastisch. „Vorwärts, Drehung aus dem Stand – Salto in die Bücherwand!“, ruft er schalkhaft in den Saal und fliegt gleichsam mit den eigenen Worten davon. Und wahrlich, er macht sich gut zwischen Borcherts Gesamtwerk und der Handke-Sonderedition aus dem Hause Suhrkamp. Penelope Proust kiekst beschwipst auf und stolpert amüsiert in die Quadrille, die sich daraufhin im Meißner Porzellan und den Resten der äthiopischen Torte auflöst. „Na, Volker, du hast heute Abend aber tüchtig getrunken, was?!“ Arnke hängt der Magen nunmehr krumm im Leibe. Er übergibt sich vorm Kamin auf einem handgeknüpften Isfahan, den die Redaktion dem Gastgeber mal zum Namenstag geschenkt hat. (Alle ab)

Der Rest ist Schweigen.

Jetzt in Vorbereitung: Die Live-DVD „Chez Grundorf“, die den unvergesslichen Lesungsabend des 10. Februar 2006 ins heimische Fernsehzimmer holt. Detailverliebt kompiliert und ergänzt durch exklusives Bonusmaterial! Weitere Informationen in Kürze hier auf www.kommunikaze.org!