Last But Not Least

von Stephanie Schulze

erschienen in Kommunikaze 6, Juli 2003

Phase 1: Vorbereitung. Zu meiner Schande muss ich gestehen, noch nie einem Auftritt der Band Sofajuice beigewohnt zu haben, aber besser spät als nie. Mal sehen, was www.sofajuice.de so an Infos hergibt... „Die Musik von Sofajuice vermischt melodischen, eingängigen Pop-Rock mit vielen verschiedenen Stilrichtungen“, aha, „wobei die ganz spezielle musikalische Eigenart des Quintetts den Rahmen für die experimentierfreudigen Kompositionen bildet.“ Dann steht da noch was von einer Mischung aus eigenen und gecoverten Stücken bei Live-sessions. So ist das. Ich darf also immer noch gespannt sein und bin es auch. Jetzt muss ich nur noch zwei Freunde einpacken und dann kann’s von mir aus auch schon losgehen.

Phase 2: Anreise. Das Westwerk ist nicht gerade die zentralste Location der Stadt. Zum Glück weiß Nicolai, an welcher Haltestelle wir aussteigen müssen. Nach ein bisschen planlosem Umherlaufen stoßen wir auf den Veranstaltungsort. 20:30. Noch keine bedeutende Menschenanhäufung. Sänger Felix klärt uns erst mal über den Ablauf des Abends auf: bis 21:30 trudeln die Leute ein, trinken und quatschen, dann spielen Sofajuice und danach wird noch mehr getrunken. Trinken ist ziemlich wichtig heute, schließlich spielen die fünf Jungs ja heute zum letzten Mal auf, da muss man feiern. Irgendwie wehmütig klingt es schon, wenn Felix das sagt, das mit dem letzten Mal.

 Phase 3: Konzert. Kurz vor 22:00 treffen wir Felix noch mal auf dem Flur wieder. „Jetzt geht’s gleich los, Schätzchen.“ Das Trinken ist wirklich sehr wichtig. Später wird Felix behaupten, man werde auf der Bühne nicht besoffen, weil man alles ausschwitzt. Ich habe zwar Bio so bald als möglich abgewählt, möchte dennoch Zweifel anmelden, ob das so funktioniert.
Zurück zum Thema. Circa 100 Freunde, Verwandte und Bekannte stehen an die hintere Wand des Konzertsaals gepresst in Erwartung der ersten Töne. Das erwies sich im Nachhinein als weise Entscheidung, weil Felix sich nicht scheute, seine Fans mit Mikroständern und Schuhen zu bewerfen. Die beiden ersten Songs stammen von Sofajuice selbst. Unwillkürlich fängt mein Kopf an zu nicken. Die Musik ist extrem tanzbar und es braucht auch nicht lange, die Aussagen ihrer Homepage zu verifizieren. Ich will gar nicht erst versuchen, die unglaublich variable und dennoch stilsichere Musik der Band präziser zu umreißen. Meine Einschätzung der Tanzbarkeit wird leider allgemein nicht geteilt. Das Gros der Gäste steht immer noch mit dem Rücken an der Wand im Bemühen, so cool wie möglich auszusehen.

Andere sitzen wie erstarrt auf Bierbänken mitten im Raum. Nicolai wird sogar beim wilden Tanzen zu „I’m a believer“ von einem filmenden Vermutlich-Bandmitglied-Papi dezent aus dem Bild gerückt. Erste Aktion des Kommunikazetrios in der Pause nach dem ersten Viertel ist folglich die Beseitigung der Bänke. Highlight im zweiten Set ist eine Coverversion vom Time Warp Dance mit stimmgewaltiger Unterstützung von Felix’ 15(!)jähriger Schwester. Der Dienst, den sich die Band damit erwiesen hat, ist jedoch fragwürdig. Fortan müssen sich Liedanfänge gegen wiederholte „Wir wolln die Frauke sehn“-Chöre von Linksaußen durchsetzen, was sich besonders im dritten Teil schwierig gestaltet, da lassen es Sofajuice nämlich etwas ruhiger angehen.

Im vierten Set wird dann wieder das Haus gerockt, und der besoffene Rest (es ist 1:00 durch und der Saal hat sich um einige coole Anderwandsteher geleert) bemerkt endlich, dass jetzt wirklich die allerletzte Chance ist, mit Sofajuice abzufeiern, und tanzt, tanzt, tanzt. Dazu fliegen leuchtende Flummis durch den Raum, die Band stellt ´ne Kiste Bier zur Verfügung, und Felix beteuert immer wieder, dass wir die Besten sind. Obendrauf gibt es noch mal den Time Warp Dance (und einen Schluck Becks für Frauke), sozusagen als Abschiedsgeschenk.

Felix ist zufrieden. Die Band ist nach einer Phase harten Probens zu Höchstform aufgelaufen. Er selbst konnte seine Texte auswendig, was eine Leistung ist unter Antibiotikaeinfluss (aufgrund zurückliegender sowie schwelender Krankheiten, die schlicht hinter der letzten Bandreunion zurückstecken müssen), dessen Wechselwirkungen mit Alkohol unberechenbar sind. Aber man lebt ja nur einmal und wenn man es richtig anstellt, ist einmal auch genug.

Phase 4: Heimweg. Hmm. Das war’s jetzt also. Schade, dass ich erst so spät auf den Trichter gekommen bin. Für alle, die es nie zu einem Sofajuice-Gig geschafft haben, bleiben als Trostpflaster noch zwei CDs der Band, die die Live-erfahrung natürlich nicht ersetzen können. Wir beschließen, das sich nun anschließende sentimentale Besäufnis denen zu überlassen, die in 3 Jahren Sofajuice das Zeug dazu angesammelt haben. 1:40. Verschwitzt, müde und hungrig trotten wir zum Nachtbus. Mein Sprachzentrum ist im Begriff, sich runterzufahren. Letzte Meldung: „Ich will im Bett.“