Das Mohnfeld und der Künstlerstreit

von Jan Paulin

erschienen in Kommunikaze 2, Februar 2003

zur Van Gogh - Ausstellung in der Bremer Kunsthalle


Das Ganze stand unter einem schlechten Stern: Wir hatten beide verschlafen. Waren nicht, wie geplant, um sechs Uhr morgens, sondern drei Stunden später in die Nordwestbahn nach Bremen gekrochen. Grausam genug für einen Samstag. Ich hatte nur zwei Stunden geschlafen, und auch Andi sah nicht aus, als ob er frisch aus der Waschstraße mit Heißwaschgang gehüpft wäre.

Vor der Kunsthalle angekommen, holte uns unsere Nachlässigkeit ein. Es empfing uns eine meterlange Schlange, an deren Ende wir uns wohl oder übel einreihen mussten. Einen Sondereingang für hochgradig Wachgebliebene oder Rentner konnten wir nicht finden. Für beides hätten wir uns ausgeben können, aber eine nette Dame, die draußen bereits die ersten Kurzführer über die Ausstellung losschlug, teilte uns mit, dass nur ein zweistündiges Anstehen zum Eintritt in das Museum führte.

Dank Wurstsuppe, Kaffee und Gedankenspielen à la "Ich sehe was, was du nicht siehst", an denen sich auch die Mitanstehenden rege beteiligten, ertrugen wir dann doch recht tapfer die Wartezeit in der eisigen Kälte. Unter anderem auch, weil die Mitarbeiter der Kunsthalle wohl irgendwann die preköre Lage vor ihren Toren erkannten und in einer beispiellosen Rettungsaktion Bierbänke herbeitrugen, auf die sich die geschwächten Kulturinteressierten dann setzen konnten.

Und dann ging die Sonne auf. Wir kamen herein, und wie gebannt stand ich vor den Bildern des 1890 verstorbenen Franzosen. Von den Dingen, die man mir über Van Goghs Bilder erzählt hatte, war ich immer unbeeindruckt geblieben und hatte mich daher selbst der Fußball-Neanderthaler-Schublade zugehörig gefühlt. Was ich nun hiermit offiziell zurückziehe. Ich bin bekehrt. ich sah seine Farben.

Natürlich kann ich mich dewegen immer noch über Sätze amüsieren wie "...und ist es nicht interessant, wie Vincent nach oben hin abbremst" Es ist wirklich war: Auch diese Spezies von Kunstausstellungsbesuchern traf ich dort endlich mal an. Doch davon durfte man sich nicht fuchsen lassen, denn die Ausstellung selbst war um vieles spannender und interessanter. Anschaulich wurden sogar die Grundrisse der Orte gezeigt, an denen Van Gogh malte, sogar seine Blickrichtung.

Da die Ausstellung inhaltlich unter dem Thema "Felder" stand, wurde überwiegend seine Zeit in der Nervenheilanstalt in Saint-Rémy dokumentiert. In dieser Phase entstand auch das von der Kunsthalle in Bremen erworbene "Mohnfeld". Wer sich also selbst einen Eindruck von Van Gogh machen will, kann wenigstens dieses Bild dort noch bewundern. Wem das nicht langt, der sollte nacht Amsterdam ins Van Gogh-Museum gehen!