Kim Jong-Il

von Finn Kirchner

kim.gif

erschienen in Kommunikaze 21, Oktober/November 2006

Der Jack Johnson aus Fernost

Nordkorea! Ein Land wie Schäfchenwolken. Wie lachend im Schnee herumtollende Kinder. Ein Land, in dem man keinen Apfel vom Baum essen möchte aus Angst vor Verfolgung. Und all dies gezeugt, gepresst, gestillt und mit harter Hand erzogen von einem einzigen Mann (und seinem Vater): Kim Jong-Il (und seinem Vater).

Globalisierung, Schnelllebigkeit, Technologisierung, Liberalisierung: Scheinbar unabwendbare Probleme der modernen Welt. Doch halt, in Nordfernost macht da einer nicht mit. Warum auch? Never change a winning system. Eben. Hier steht es, Nordkorea, das stolzeste Halbland, seit die Slowakei ein bisschen weniger stolz geworden ist, wie ein Fels in der Brandung. Und auf dem Fels steht einer (mit noch einem), nämlich Kim Jong-Il (mit seinem Vater) und verteidigt den Fels gegen die stärker werdende Brandung mit Zementsockelbau, besser: mit Zementsockelbau und ins Meer hinaus schießbaren Wellenbrechern, von denen ab und an auch mal welche ohne wellenbrechende Eigenschaften grob in Richtung Meer geschossen werden, nur um dem Meer zu zeigen, dass man könnte, wenn man wollte und dass man wird, wenn die Brandung nicht von selbst nachlässt. Eine eben so schöne wie beruhigende Vorstellung.

Dass Kim Jong-Il von seinen engsten Freunden auch schon mal neckisch Lil’ Kim, Jong Fashion oder Illness genannt wird, stört ihn wenig und beweist seinen guten Humor. Aber Gesetz ist Gesetz, und Todesstrafe ist Todesstrafe. Denn nicht nur beim Stromnetzbau und der Trennung von Kirche und Staat, nein auch beim Werteverfall heißt es in Nordkorea: Wehret den Anfängen.

Doch Kim ist sich bei allem Ruhm, der ihm zufliegt, immer treu geblieben. Genau wie der kleine Mann auf der Straße es tut, oder eher: wie der kleine Mann auf der Straße es in der Rolle des alleinigen Herrschers über Leben und Tod tun würde, legte Kim Jong-Il sich große Sammlungen an Autos, alkoholhaltigen Getränken und Ehefrauen zu. Typischen Upper-Class-Hobbies wie Tennis, St. Moritz und Gutes tun stand der sympathische Tyrann von Nebenan dagegen immer ablehnend gegenüber.

Ja, einen wie Kim Jong-Il (oder seinen Vater oder beide) hätte jedes Land gerne. Doch es ist noch lange nicht damit getan, einfach den erstbesten vertikal mindersituierten Brillenträger mit Plateauschuhen (oder dessen Vater) zum gottgegebenen Diktator auszurufen. Denn was Kim so einzigartig macht, ist seine ausgesprochen große Besonderheit. Und diese einzigartige Unverwechselbarkeit teilt Kim Jong-Il eben weltweit mit niemandem (außer mit seinem Vater).