Abschiedsballade

von Jan Paulin

erschienen in Kommunikaze 17, Februar 2006

Die Waschmaschine singt mir ein Lied. Eine traurige Schnulze für mich ganz allein. Alles, was sich in ihr dreht und schäumt ist Modedreck. Seit Jahren ungetragen, immer tiefer in den Schrank geschoben und nun wieder ins Licht gezerrt. Zum Transport ins Endlager. Kein Herz mehr für rosa Hemden mit Stehkragen, Levis-Jeans mit verdrehter Außennaht und Jogginghose mit Druckknopfleiste. Bevor es in den Altkleiderbehälter geht, gebe ich den von mir angehäuften Modevergehen die letzte Ölung. Abgesang im Waschsalon.
Von Beileidsbekundungen an der Schleuder bitte ich Abstand zu nehmen, die Kondolenzliste liegt aus.

Der einlullende Takt der Wäschetrommel spült Erinnerungen hoch: die neongelbe Daunenjacke mit dem Rückenprint Borderline Cruising, in der ich immer aussah wie ein radioaktiv verseuchter Kanarienvogel. Dazu im Winter die Wollfäustlinge vom 1 FC. Kaiserslautern. Schlimme Dinge, die sich da unter mir drehen, während ich einfach mein Feuerzeug in die Luft halte und zur Melodie mitschwinge. Es ist schon spät und ich bin betrunken, habe mich nicht lumpen lassen für mein kleines Altkleider-Charitykonzert im Waschsalon. Draußen laufen Leute vorbei und lachen über mich. Aber ich schließe die Augen und lache zurück  Sie sehen mich nicht, sehen nur einen besoffenen Kerl in feuchtfröhlicher Schnulzenlaune im Neonlicht sitzen; verkennen dabei den Ernst der Lage. Jeder hat Leichen im Wäschekeller. Wenn man mit einem Berg voll Klamotten, verteilt auf drei große Plastiktüten, von Bar zu Bar zieht, lernt man viele Menschen kennen. Zuerst glauben sie, du wärest gerade von zuhause rausgeflogen. Was soll man sich auch sonst denken? Heute mal einen ausgewaschenen Herrenslip statt Rosen für die Dame? Wohl kaum.

Doch wenn sie deine Geschichte gehört und sich in die Kondolenzliste eingetragen haben, dann kommen schon bald ihre eigenen Modevergehen zum Vorschein. Da war dieser Typ: Am Anfang erzählte er nur von irgendwelchen Hauspantoffeln in Elefantenform, die ihm seine Freundin geschenkt hatte. Doch als auch sein Alkoholpegel stieg, kam das Gespräch auf eine tarnfarbene Herrenhandtasche von Sabotage, die er in seinem Besitz hält. Letztes Jahr erst erstanden. Auch von Uli Stein-Boxershorts hatte ihn sein Geschmack nicht abhalten können. Ich ließ ihn zurück, während er noch etwas von Mäusen stammelte, die irgendwelche Schilder hochhalten und seine Zigarette am Filter anzündete. Mein Taxi war da: Einmal ins Plitsch-Platsch bitte! Nein, keine Disko, ein Waschsalon!! Fahren sie, schnell!!!

Und so sitze ich nun hier, auf der schäumenden Welle meines eigenen modischen Unrats. Gleich kommt der Schleudergang, der Chorus zum Mitsingen. Sternspritzer wären gut. Wo seid ihr jetzt, ihr Couture-Kriminellen dieser Stadt? Ich brauche Mitschunkler. Eigentlich war es doch auch schön mit den quietschbunten Hawaiihemden, den Tennissocken in Sandalen und den Schweißbändern in allen Farben des Regenbogens. Dann eben allein: Sing mir mein Lied, Maschine! Spiel es nochmal! Der Rest der Welt reimt sich gerade so schön darauf. Wie das Leben, so ist die Mode ein Kreis: Schon stehen uns rosa Plusterröcke und Knautschsamtzylinder wieder ins Haus. Trimmt euer Achselhaar, solange ihr noch könnt, denn schon bald wird es wieder in sein, passend zum Schiesser-Feinripp-Unterhemd. Auch Vokuhila kam zurück als Trucker-Style.

Als wolle sich das Gerät beschweren, wird die Melodie beim Schleudern grimmiger. Bald wird sie versickern in den dunklen Kanälen unter unseren Straßen, hinabgepumpt von einem Münzautomat für drei Euro. Ein letztes Mal Luftgitarre, bevor der Klang vergessen sein wird. Für alle türkisfarbenen Leggins, für alle Palladium-Schuhe dieser Welt und für meinen Chiemsee-Pulli, den einst heißgeliebten: Farewell and goodbye. Wir sehen uns wieder, an einem sonnigen Tag. Und dann ohne Endschleudern. Versprochen.