erschienen in Kommunikaze 9, Februar 2004
Neulich war ich krank. OK, ich weiß, dass es stillos ist, über Krankheit zu schreiben. Es hat etwa den selben Charme wie unausgeschlafene, schlecht rasierte Männer mit Mundgeruch Montag früh in der überfüllten U-Bahn. Ich lasse alle gut gemeinten Hinweise links liegen und komme jetzt trotzdem zu meinem Thema:
Neulich war ich krank. Nachdem ich mich eine Woche lang erfolglos selbst therapiert hatte, und Brigitte und Monika aus der Skarabäusapotheke bereits zu meinem engeren Bekanntenkreis zählten, da ich ihnen mehrmals täglich mein Herz und mein Portemonnaie ausschüttete, entschloss ich mich, doch einen Arzt aufzusuchen. Nach über einer Stunde Wartezeit stellte sich heraus, dass mein neuer Internist und Hausarzt tatsächlich eine Ärztin war, und zwar der neueren Schule. Sie gefiel mir sofort, als sie zur Begrüßung statt „Na, was haben wir denn?“ oder „Na, wie geht’s uns denn?“ einfach nur freundlich „Hallo“ sagte.
Also, das war ja so, mein Hals tat sehr weh, drum guckte sie mir hinein und fragte mich dann, wann ich denn die Mandeln rausbekommen hätte. Sie fragte nicht ob und nicht wo und nicht durch wen, sondern wann. Ich hätte ihr sagen können, dass der Vater des amtierenden brandenburgischen Ministerpräsidenten sie mir im auch zu DDR-Zeiten katholischen Sankt-Josefs-Krankenhaus rausgenommen hat. Das hat sehr weh getan (nach der Narkose) aber Dr. Platzeck war (er ist inzwischen verstorben) einer der besten seines Faches. Nur seiner eigenen Familie hat er die Mandeln nicht entfernt, weil er da Angst hatte, zu aufgeregt zu sein. Meine Eltern haben mir dann Vanilleeis ins Krankenhaus mitgebracht, weil man nach der OP was Kaltes essen sollte. Da tat es dann ganz schnell nicht mehr so weh. Das alles hätte ich ihr erzählen können. Stattdessen musste ich „Ähh“ und „Weiß ich nicht so genau.“ und „Muss wohl noch zu DDR-Zeiten gewesen sein.“ sagen.
Schließlich kam sie zur Diagnose. Wenn ich meine Mandeln noch drin hätte, hätte ich jetzt eine Mandelentzündung. Schöne Bescherung! Wir hatten soeben konstatiert, dass ich meine Mandeln nicht mehr drin habe! Mein Hals tut aber trotzdem weh! Ich fragte vorsichtig, was ich denn stattdessen hätte. Vielleicht war meine Frage ja sehr dumm. Ich könnte zum Beispiel Pseudomandelentzündung haben, sowie ich als Kleinkind mal Pseudokrupp hatte. Ich finde das einen sehr lustigen Namen für eine Krankheit. Mein Eltern fanden das damals nicht so lustig. Sie dachten, ich sterbe an Husten. Tat ich aber nicht.
Meine Pseudomandelentzündung hieß Seitenstrangangina. Eine Krankheit, die sich dem Namen nach auch gut und gerne im Genitalbereich abspielen könnte.
Meine Hausärztin hat außerdem etwas für fernöstliche Medizin üblich. Das ist löblich. Sie empfahl mir, die Füße vor dem zu Bett Gehen zu baden, weil zwischen meinen Füßen und dem Geschehen in meinem Hals ein Zusammenhang herrsche. Aha. Etwa auch mit Pfefferminzöl, das ich ja schon zum Inhalieren nehmen soll? Nein, mit - jetzt kommt’s - Senf!
Ich starrte sie an wie ein Pferd. Geneigter Leser, mir ist schon bewusst, dass du jetzt dasitzt - das heißt, vielleicht liegst oder stehst du ja auch. Was weiß ich, wie du gern Geschriebenes konsumierst - und dir denkst: „Na klar, mit Senf die Füße baden. Das hätte ich dir ja gleich sagen können!“ Ich für meinen Teil fand das dennoch eine sehr überraschende Pointe, zumal Frau Doktor es ganz und gar nicht im Scherz gesagt hat. Ich habe schon mal davon gehört, dass man sich mit Butter die Hände einreiben soll, wenn sie rau sind. Mir ist auch zu Ohren gekommen, dass sich manche Menschen rohe Eier in die spröden Haare schmieren. Weiß der Geier, was sie sonst noch so alles tun. All diese Malaisen sind rein äußerlich, und all diese Lebensmittel werden auf dem betreffenden Körperteil angewandt. Was kann ich aber von lauwarmer Senfsoße an meinen Füßen für die Genesung meiner (im Hals befindlichen) Seitenstränge erwarten? Und was für Senf nimmt man dafür? Scharf? Mittelscharf? Extrascharf? Dijons?
Zum Schluss riet mir die Ärztin, einen Hustensaft mit Thymian zu kaufen. Der sei pflanzlich und deshalb nicht verschreibbar, aber sehr wohltuend. Wohltuend sind vor Allem die 12% Alkohol. Ich machte ihn auf und sofort waberten mir Erinnerungen entgegen. Thymipin roch nach dem oberleckeren DDR-Hustensirup. Kann sein, dass dieser abgesetzt wurde, weil er nicht nur den Hustenreiz beruhigte sondern auch Karies förderte. Welch Freude, dass der Neue dann auch fast so schmeckte wie der Alte. Fast, sage ich, leider war er enttäuschend im Abgang.
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