erschienen im Rahmen der Titelrubrik in Kommunikaze 21, Oktober/November 2006
Manchmal hört man es doch schon am Telefonklingeln, wer anruft, und dann möchte man schon gar nicht mehr dran gehen. Es ist ja auch eigentlich nicht für mich, und deshalb gehe ich jetzt auch nicht ran. Ich bin ja nicht ihre Sekretärin.
Ist ja nicht so, dass sie nie mal längere Zeit unterwegs gewesen wäre, und ich mach ja sonst schon alles. Es könnte genauso gut sein, dass ich auch irgendwo anders wäre, oder dass wir zusammen unterwegs wären, könnte auch sein.
In letzter Zeit waren wir wieder viel zusammen, aber meistens hier zu Hause. Es ging ihr nicht so gut, und wir haben Eis gegessen und Fernsehen geschaut. Ich hab’ auch viel gekocht für uns beide. Natürlich vegetarisch für sie. Wenn wir zu zweit sind, hier drinnen, dann ist eigentlich immer alles ganz schön. Aber dieser Stress draußen, der hat sie doch verrückt gemacht. Da wusste sie doch gar nicht mehr, was sie wollte.
Wir passen ziemlich gut zusammen. Also ich organisiere immer alles, und sie macht nichts, naja, das war so ein Witz von ihr. Wir haben wirklich gut zusammen gepasst, das haben wir beide gleich gemerkt, als sie sich das Zimmer angeschaut hat. Wussten wir beide sofort.
Nur halt diese eine Sache, das hat sie immer gestört, dass ich Fleisch esse. Das hat sie immer angeekelt, wenn ich Würstchen gebraten hab’ oder so. Dabei ist das doch das Natürlichste von der Welt! Das verbindet den Menschen doch mit der Kreatur.
Einmal hat sie mich auch gefragt, wie das mit denen war, die vor ihr dort gewohnt haben. Ich hab’ ihr gesagt, dass man das gar nicht vergleichen kann. Mit den anderen, das war ja nur so eine Zweckgemeinschaft, aber mit ihr, das ist eine tiefergehende Bindung.
Schon komisch, dass man so perfekt harmoniert, und dann steht doch immer diese winzige Sache dazwischen. Dass man nicht eins werden kann.
Jetzt klingelt schon wieder das Telefon. Jetzt kann ich aber wirklich nicht ran gehen, sonst verbrennt mir das Fleisch im Ofen, und das wäre wirklich eine Sünde...
Du sollst aus Bösem Gutes machen
von Anna Groß
