Geschichte und Bedeutung der BuGa für Deutschland

von Olker Maria Varnke

erschienen im Rahmen des Titelartikels in Kommunikaze 20, August 2006

Die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land mag die Diskussion in den Hintergrund gedrängt haben, doch sicherlich ist sie nicht beendet – im Gegenteil: Der Nationalgefühlzuwachs der Deutschen Bundesbürger beim Mitfiebern oder Mitfeiern um das Fußballgeschehen kennzeichnete sich als äußerst kurzlebig, das Aufstehen zur Nationalhymne lediglich als Merkmal von Gruppendynamik und etwaiges Mitsingen als Folge des höchsten Bierkonsums seit dem Mittelalter. Die Stimmung im Land bezeichnete Gerhard Delling mit dem Wort „Partyotismus“ noch am trefflichsten. Die Frage, die sich angesichts dieser Beobachtungen aufdrängt, kann nur wie folgt lauten: Welche Bedeutung misst der vermeintlich Deutsche seinem Staate in Zeiten von politischer Europäisierung und wirtschaftlicher Globalisierung eigentlich noch bei?

Vielleicht ist die Antwort zukünftig im „Kommunalimus“ zu finden. Die Bürger würden sich in diesem Fall also mit einem sehr überschaubaren Lebensraum und lokalen Attraktivitäten identifizieren - etwa der Lüneburger Heide oder auch dem Gorlebener Endlager. Was aber würde in diesem Fall aus Deutschland? Wie könnte sich noch eine Bundesregierung rechtfertigen, wenn Gesetze in Straßburg und das Leben dazu in Eisenhüttenstadt, Bad Neuenahr-Ahrlweiler oder auch Köln gemacht würden? Nun, mit offensichtlich prophetischer Gabe hat bereits Urkanzler Adenauer kräftig daran mitgearbeitet, dass die Bundesrepublik an möglichem Identitätsverlust nie leiden würde. Mit der 1951 ins Leben gerufenen Bundesgartenschau war und ist das geeignete Mittel gefunden, um die Bürger bei der Stange zu halten. Dass Gartenschauen hervorragend zur Identitätsstiftung geeignet sind, hatte bereits die Vorgängerregierung der Dreißiger- und Vierzigerjahre eindrucksvoll gezeigt. So dürfen wir also davon ausgehen, dass die BuGa den deutschen Staat seit jeher zusammen hält und damit die Zukunft Deutschlands - wenigstens bis zu Osnabrücks patriotischem Beitrag im Jahr 2015 - nicht ernsthaft gefährdet ist.

Nachdem die ungeheure Bedeutung der Bundesgartenschau für das Land nun also erläutert wurde, soll an dieser Stelle der Blick auf die turbulente Entstehungsgeschichte der BuGa gerichtet werden, die schon weit vor dem bereits erwähnten braunen „Blut-und-Boden-Garten“ einsetzte: Abenteuerlust und Tatendrang kennzeichneten den Beginn der Neuzeit. Die tollkühnen Entdeckungen der Westroute nach Indien oder der Sklavenhandel im Kongobecken wurden von einem gehörigen Wissensdrang begleitet, der sich unter anderem in einer begeisterten Wahrnehmung der Pflanzenwelt unseres Planeten äußerte. Als Beispiele seien hier nur die bedeutendsten Gewächse genannt, die Cristoph Columbus von seinen Reisen ins vermeintliche Indien mit sich brachte, und die die europäische Welt in ungeahntem Ausmaß verändern sollten: Gemeint sind die Kartoffel und natürlich das sprichwörtliche Ei des Entdeckers. Es sollten noch einige Jahrhunderte vergehen, bis erste Pflanzenschauen die Welt beglücken würden, doch war der Grundstein der Florabegeisterung nun gelegt.

Im späten 18. Jahrhundert widmete sich dann ein elitärer Kreis wohlhabender Europäer der Sammlung exotischer Pflanzen und man begann, sich die prächtigsten Exemplare - zunächst noch in intimen Soirées - gegenseitig vorzuführen. Die revolutionärste Erfindung dieser Zeit wie in der gesamten Geschichte der Floristik und damit ebenso ein Meilenstein auf dem Weg zu Gartenschauen ist zweifelsohne der Wardsche Kasten.

Im 19. Jahrhundert weitete sich das Interesse vor allem an Zierpflanzen auch auf unteren Gesellschaftsschichten aus. Verdeutlicht wurde dies an der Entwicklung einer regelrechten Pflanzenindustrie in den Staaten des Deutschen Bundes, die bereits um 1850 stattliche Betriebe aufzeigen konnten. Erwähnt seien hier nur herausragende Firmen wie die Kunstgärtnerei Breiter aus Leipzig mit rund 1.500 Georginnen – Sorten und natürlich T. F. Seidel aus Dresden, die etwa 40.000 Kamelien kultivieren konnte. Die Industrialisierung der Pflanzenwelt ging mit der Gründung zahlreicher Interessensgemeinschaften wie dem Sachsen-Weimarer „Verein für Blumistik und Gartenanlagen“ einher.

Die so entstandene florale Infrastruktur öffnete den Gartenschauen nunmehr Tür und Tor und so kam es, dass 1869 die erste Internationale Gartenausstellung in Hamburg stattfinden konnte. Die Ausstellerstaaten – allesamt Kolonialmächte – konnten die zahlreichen Besucher mit günstigen Angeboten locken. So soll beispielsweise beim Kauf einer madagassischen Rüsseltomate ein dunkelhäutiger Gärtner im Preis inbegriffen gewesen sein.

Derlei Sonderangebote lassen sich auf den BuGas unserer Tage nicht mehr finden, dennoch scheint das Interesse ungebrochen zu sein. Im Jahr 1983 konnte die Internationale Gartenausstellung in München 11 Millionen Besucher verzeichnen – Rekord! Zugegeben, wird der Blick über dieses Jahr hinaus gerichtet, so zeigen sich bei den letzten fünf Gartenschauen etwas andere Zahlen: Zwischen 2,6 und 1,6 Millionen kamen da nur noch. Dies ist sicherlich der zunehmenden Konkurrenz durch das Privatfernsehen geschuldet. Mal sehen, wie viele Gäste 2015 zur Bundesgartenschau nach Osnabrück kommen, wenn in München oder anderswo vielleicht Raketenflüge zum Mond angeboten werden.