Was macht eigentlich Joschka Fischer?

von Jennifer Neufend


erschienen im Rahmen der Titelrubrik in Kommunikaze 19, Juni 2006

Was macht eigentlich der ehemals beliebteste Politiker Joschka Fischer? Von dem höre ich noch seltener etwas, als von Angela Merkel. Weil ich es jedoch sehr befremdlich finde, wenn man von Menschen, denen man jahrelang – zumindest massenmedial – nicht aus dem Weg gehen konnte, kein Lebenszeichen mehr wahrnimmt, male ich mir halt aus, wie Joschka sein Außenminister-a.D.-Leben führt:

Um ein genaues Bild zu zeichnen, muss ich mich erstmal entscheiden, ob er noch joggen geht oder nicht. Mmm, also ich persönlich würde ja nicht... – naja, gut, dann läuft er halt noch. Man hat ja damals auch gesehen, was aus Joschka wurde, als er alle Fünfe zu oft hat gerade sein lassen.

Mit seiner ungefähr 40 Jahre jüngeren Freundin lebt er in einem sonnigen, loftartigen Appartment im Berliner Prenzelberg. Natürlich haben sie eine große Küche, so eine von Bulthaup. Freitäglich lädt man gute Freunde zum Essen ein, manchmal auch die Schröders. Man trinkt guten Wein, wahrscheinlich aus Hessen. An den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotografien von Joschka während seiner Arbeit: nachdenklich im Flugzeug auf der Rückreise aus den USA, Frau Allbright legt lachend ihre Hand auf seine Schulter und natürlich (!) sein berühmter Eid in Turnschuhen, damals, als er noch nicht joggen gegangen ist.

Wenn ich die Bunte lesen würde, wüsste ich auch, was seine Freundin macht und vielleicht auch, wie sie heißt und ob sie nicht sogar seine Ehefrau ist. Die wievielte auch immer. Ich kann mich aber nur erinnern, dass sie dunkle Haare hat. Schick sieht sie aus, wie sie dort in dem hellen Appartment auf einem weißen, leinenbezogenen Sessel sitzt und in der taz  liest.

Joschka hat nicht mehr so viel zu tun wie früher. Wenn er abends nicht einschlafen kann, grübelt er meist über sein mittlerweile eher bedeutungsloses Dasein nach. Mehr als Vorträge vor Stipendiaten der Heinrich-Böll-Stiftung oder Studierenden am Otto-Suhr-Institut sind im Moment nicht drin. Die Nachfrage ist nicht da, sagt sein PR-Berater. Joschka kommt sich dann, während er sich in der cremefarbenen Seidenbettwäsche hin und her wälzt und das Mondlicht durch die Baumwollvorhänge schimmert, irgendwie verloren und unnütz vor. Wenn es ganz schlimm ist, steht er noch mal auf. In der Küche findet er meist noch eine Leckerei (Morgen geht’s ja wieder auf´s Laufband!), die ihn etwas tröstet.

Aber meistens fühlt Joschka sich unbeschwert und glücklich. Besonders gut geht es ihm, wenn er an sonnigen Tagen durch seinen Kiez latscht, taz und FAZ unterm Arm und Sonnenbrille im Haar. Der Tisch bei da Toni ist reserviert, der gute Rotwein sicher schon geöffnet. Ein ganz besonderer Tag ist es, wenn ein Passant ein Autogramm haben will.

Zur Zeit verfasst Joschka seine Memoiren. Und – so viel kann ich schon verraten – es wird ein Wälzer. Thomas Mann und seinen Buddenbrooks will der Außenminister a.D. in nichts nachstehen. So ein bewegtes, tolles Leben – vom Sponti zum Rentner – braucht, da wird ihm jeder zustimmen, zwingend viele Seiten. Kiepenheuer und Witsch soll das Buch veröffentlichen, hat zumindest Joschkas PR-Berater gesagt. Und der muss ja schließlich wissen, was gut für ihn ist.